Was ist Rassismus?

Erstmal kurz und knapp

Wir als BDB definieren Rassismus als ein historisch gewachsenes Muster der Betrachtung, Darstellung und Einteilung von Gruppen nach ihren (meist) körperlichen Merkmalen, um den Ausschluss, die Ungleichbehandlung und Demütigung einiger Gruppen und die Privilegien anderer Gruppen zu rechtfertigen. Rassismus basiert auf der Vorstellung, dass Menschen klar definierten Gruppen angehören, die mit bestimmten, unveränderlichen Persönlichkeitsmerkmalen und Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden können. Anstatt jeden Menschen als Individuum wahrzunehmen, führt Rassismus dazu, dass nicht-weiße Menschen auf eine vermeintliche Gruppenzugehörigkeit („Ethnie“, „Nation“, „Kultur“ oder „Religion“) reduziert werden. Oft wird geglaubt, die Zugehörigkeit einer Person zu dieser Gruppe an körperlichen Merkmalen wie der „Hautfarbe“ oder der Kleidung (z. B. einem Kopftuch) erkennen zu können. Gleichzeitig haben Menschen, die als weiß wahrgenommen werden, eine Vielzahl von Privilegien, die zu dem gehören, was sie als ihr „normales Leben“ ansehen, die aber den von Rassismus betroffenen Personen nicht zur Verfügung stehen, wie z. B. die Annahme, dass, wenn eine Person die Polizei um Hilfe bittet, die/der Polizeibeamt:in ihr tatsächlich helfen wird, anstatt sie eines Verbrechens zu verdächtigen. Stattdessen sind die Menschen, die Rassismus erleben, mit Ausgrenzung und Benachteiligung auf verschiedenen Ebenen konfrontiert. Wir definieren „Rassendiskriminierung“ als die ungleiche Behandlung, den Ausschluss oder die Demütigung von Menschen aufgrund von oder unter Verwendung von rassischen Kategorien.

Mehr zum Begriff Rassismus

Rassismus unterteilt Menschen in „wir“ und „die Anderen“. Es wird also angenommen, dass sich aus bestimmten Gruppenzugehörigkeiten auch bestimmte angeborene oder unveränderbare Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Tendenz zu Kriminalität, Temperament oder Bildungsdesinteresse) und Fähigkeiten (z.B. Musik und Sport, aber nicht Management oder Physik) ergeben. Man geht hierbei davon aus, dass die Grenzen, wer zu einer Gruppe gehört und wer nicht, ganz klar und offensichtlich sind.

Bemerkenswert ist, dass die meisten Menschen durchaus in der Lage sind, die Vielfalt der eigenen (selbst zugeschriebenen) Gruppe zu sehen und zu erkennen. Vor allem, wenn es um größere Kategorien wie Wohnorte (so werden Unterschiede zwischen Menschen aus der Stadt und dem Land, aus Berlin oder Bayern, wahrgenommen) oder auch Religion (Protestant:innen und Katholik:innen in Bayern vs. Katholik:innen in Spanien) geht.

Im Gegensatz dazu werden „die Anderen“, also z.B. „die Muslim:innen“ oder „die Ausländer:innen“, als homogene Gruppe verstanden. Man behauptet, sie alle oder viele von ihnen seien eben „so und so“, Ausnahmen bestätigen die Regel. Diese Homogenisierung und das Absprechen von Individualität sind Teil rassistischen Denkens.

Eine tiefe gesellschaftliche Verankerung von Rassismus

Aufgrund der gegenwärtigen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit in Deutschland wird die offene Äußerung einer offensichtlich rassistischen Haltung, insbesondere rassistisch motivierte Gewalt, in diesem Land im Allgemeinen nicht als akzeptabel angesehen. Das heißt aber nicht, dass es Rassismus nicht mehr gibt.

Im Gegenteil: Unsere Gesetze, unsere Strukturen, unsere Annahmen übereinander – sie alle sind geprägt von Bildern und Ideen, die bis auf die Kolonialzeit zurückgehen und über Generationen hinweg weitergeben worden sind. Dabei wurden diese Bilder und Ideen bzw. die Herkunft dieser selten hinterfragt, sondern als gegeben hingenommen. Sie sind dementsprechend schwer zu erkennen und somit nur schwer veränderbar. In Schulbüchern und den Nachrichten findet sich deshalb noch immer oft negative Bilder von „den Afrikaner:innen“ oder „den Muslim:innen“. Diese stereotypen Bilder können nur dann bekämpft und verändert werden, wenn sie aufgedeckt und die breite Bevölkerung dafür sensibilisiert wird.

Kolonialzeit

Rassismus ist nicht „einfach so“ bzw. zufällig entstanden. Die rassistische Ideologie sowie die damit verbundenen Hierarchisierungen und Privilegierungen finden ihren Ursprung in der europäischen Kolonialgeschichte.

Um während der Kolonialzeit die Ausbeutung ganzer Kontinente und die Versklavung ihrer Bewohner:innen zu rechtfertigen, erklärten sich Weiße Europäer:innen zur überlegenen „Rasse“ mit einem universellen Machtanspruch. Die Bewohner:innen der Kolonien hingegen hielt man für minderwertig, ungebildet und unzivilisiert.

Der Begriff „Rasse“

Die These von der Existenz unterschiedlicher „Menschenrassen“ wurde längst von der wissenschaftlichen Forschung widerlegt. Die Unterschiede innerhalb einer Gruppe sind meist viel größer und diverser als zwischen den Gruppen. Es gibt keine menschlichen „Rassen“.

Im Klartext: Die Einteilung von Menschen und die Idee einer natürlichen Ordnung der Welt dienten von Beginn an einzig und allein dem Zweck, die Herrschaftsansprüche Weißer Europäer:innen und die daraus resultierenden Privilegien zu rechtfertigen. Rassismus ist eine Erfindung derer, die davon profitieren – gewachsen aus spezifischen wirtschaftlichen und territorialen Interessen Weißer Menschen (Siehe auch Kolonialzeit).

RASSISMUS: Ein gesamtgesellschaftliches Problem

In Deutschland wird Rassismus immer noch oft als Randproblem dargestellt, das sich in rechtsextremer Gewalt oder direkten, expliziten Beleidigungen manifestiert. Rassismus findet jedoch tagtäglich auf eine Art und Weise statt, die für Außenstehende vielleicht harmlos erscheinen mag, aber im Leben der meisten Betroffenen auf lange Sicht oft einschneidender und schmerzhafter ist. Rassismus ist ein alltägliches Phänomen, das in allen Teilen der Gesellschaft auftritt und nicht immer absichtlich oder in verletzender Weise gemeint ist. Er tritt auf individueller Ebene, aber auch auf der Ebene von Organisationen und Institutionen auf.

Rassismus in der zwischenmenschlichen Interaktion

Rassismus kann sich auf unterschiedliche Weise in der Interaktion zwischen Menschen manifestieren. Zum Beispiel können manche Äußerungen implizieren, dass eine andere Person nicht wirklich nach Deutschland gehört. Fragen wie „Woher kommst du?“ oder „Wann gehst du zurück in dein Heimatland?“ suggerieren, dass die Person aufgrund ihrer Hautfarbe, Haarstruktur oder anderer äußerer Merkmale nicht deutsch sein kann und von woanders herkommt, wohin sie irgendwann zurückkehren wird (oder sollte). Auch vermeintlich positive Aussagen wie „Du sprichst aber gut Deutsch“ oder „Du hast so einen schönen Teint“ lösen in der angesprochenen Person das Gefühl aus, anders zu sein. In diesem Zusammenhang wird auch von Mikroaggressionen gesprochen. Dieser Begriff bezeichnet eigentlich nicht böse gemeinte Fragen oder Aussagen von Weißen Menschen gegenüber Personen of Color oder Schwarzen Menschen, die sich nicht der verletzenden oder beleidigenden Untertöne ihrer Aussagen bewusst sind. Bei den angesprochenen Personen lösen sie jedoch ein Gefühl des Unwohlseins oder Verletzungen aus, während die Weiße Person sich dessen nicht bewusst ist. Werden sie darauf angesprochen, treten die meisten Menschen in eine Abwehrhaltung und bestehen darauf, sich nicht rassistisch geäußert zu haben. Auch deshalb ist eine Aufklärung- und Sensibilisierungsarbeit zu Alltagsrassismus notwendig, selbst auf der Ebene von Mikroaggressionen.

Auch Witze, die auf Kosten einer bestimmten Gruppe gemacht werden – oder Karnevalskostüme, die eine Gruppe in stereotyper und/oder lächerlicher Weise darstellen – tragen dazu bei, allgemeinere Bilder in der Gesellschaft zu verstärken, die diese Menschen als lächerlich darstellen. Selbst wenn dies nicht in der Absicht der Person liegt, die so handelt, wird anderen damit vermittelt, dass es in Ordnung ist, sich über bestimmte Menschen lustig zu machen und sie abzuwerten.
Das mag „nur zum Spaß“ gemeint sein, aber solche tief in der Gesellschaft verankerten Bilder haben einen großen Einfluss darauf, wie bestimmte Gruppen in bestimmten Situationen wahrgenommen werden, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche. Da solche Bilder indirekt reale Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen haben, ist es für die Betroffenen schwierig, dies als „nur zum Spaß“ und nicht als Beleidigung zu empfinden.

Zwischenmenschliche Diskriminierung kann aber auch in einem organisatorischen Kontext stattfinden, etwa wenn eine Person von einer/einem Staatsbediensteten, etwa einem/einer Mitarbeiter:in des Arbeitsamtes oder der Polizei, herabsetzend behandelt wird. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass eine Person nicht an einem Ausbildungsprogramm teilnehmen kann, das ihr helfen könnte, einen gewünschten Arbeitsplatz zu bekommen, oder dass die Person eine Vorstrafe für etwas erhält, das normalerweise nicht als schweres Vergehen behandelt wird. Rassistisches Mobbing am Arbeitsplatz kann nicht nur zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, sondern auch zu künftigen Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche im Allgemeinen.

Institutioneller und struktureller Rassismus 


Rassendiskriminierung findet nicht nur im zwischenmenschlichen Kontakt statt, sondern beispielsweise auch durch Gesetze und Vorschriften oder durch die Art und Weise, wie Menschen in Geschichtsbüchern, Filmen oder in der Werbung dargestellt werden. Sie kann auch im indirekten Kontakt stattfinden, beispielsweise wenn die allgemeine Politik eines Immobilienunternehmens oder Online-Formulare (unter Verwendung von Auswahlalgorithmen) es bestimmten Gruppen schwer machen, eine Wohnung zu bekommen. Wenn von offiziellen oder inoffiziellen Arbeitsweisen von Organisationen, Unternehmen oder staatlichen Behörden die Rede ist, die rassistische Auswirkungen haben, wird dies häufig als „institutioneller Rassismus“ bezeichnet. Der Begriff „struktureller Rassismus“ wird manchmal synonym mit institutionellem Rassismus verwendet, beschreibt aber in der Regel, wie sich bestimmte rassistische Diskriminierungen auf breitere gesellschaftliche Strukturen oder Muster auswirken oder daraus resultieren (z. B. bestimmte Gesetze oder Medienbilder).

Warum ist Alltagsrassismus so gefährlich?

Für Nicht-Betroffene kann sich eine rassistische Diskriminierung als scheinbar harmloses Verhalten darstellen, wie zum Beispiel Kategorisierungen von „wir“ und „sie“, stereotypisierende Witze oder „gut gemeinte“ Gruppenbeschreibungen, wie „exotisch“ oder „temperamentvoll“. Allerdings sprechen diese Kategorisierungen den Betroffenen eine individuelle Persönlichkeit oder Kompetenzen ab/zu und grenzen sie aus der „deutschen Gemeinschaft“ aus.

Vor allem, wenn dies im Laufe der Zeit wiederholt geschieht, kann dies eine sehr schmerzhafte Erfahrung sein und zu Isolation, emotionalem Stress und Selbstzweifeln, Schwierigkeiten beim Lernen oder Arbeiten und zur Zerstörung von Beziehungen führen.

Wenn Menschen mit zwischenmenschlichem Rassismus konfrontiert werden, wenn sie mit Institutionen zu tun haben, die eine gewisse Macht haben, wie das Arbeitsamt oder die Polizei, kann dies die Diskriminierung verstärken und die Auswirkungen der Diskriminierung sogar noch verstärken, z. B. dass die Person nicht nur beleidigt wird, sondern auch keine Unterstützung erhält, um einen angemessenen Arbeitsplatz zu bekommen.

Unabhängig davon, ob diese rassistischen Verhaltensweisen bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt sind, schaffen sie einen Nährboden und eine Rechtfertigung für immer stärkere Formen der Diskriminierung: von erschwerten Hürden für den Zugang zu Bildung, Wohnraum, politischen Mitbestimmungsrechten oder zum Arbeitsmarkt – über Racial Profiling und einen ethnisch begründeten Generalverdacht – bis hin zu Einschüchterung und gewalttätigen Angriffen, Morden und sogar Völkermord.

Daher ist es wichtig, sich nicht nur auf die extremen Fälle von Rechtsradikalismus zu konzentrieren, sondern auch die Strukturen von Alltagsrassismus aufzudecken und diese durch Sensibilisierung zu verhindern.

Strukturen und Handlungen des Rassismus prägen Vorstellungen in der Gesellschaft, nach denen bestimmte Gruppen als „anders“ und nicht der Norm entsprechend, also als „nicht normal“, nicht vertrauenswürdig oder gar als gefährlich anzusehen sind. Diese rassistischen Bilder und Annahmen sind Teil einer langen, historischen Tradition und daher auf allen Ebenen und Institutionen der Gesellschaft zu finden: in den Medien, in Bildungsmaterialien, in Gesetzen und auch in staatlichen Behörden.